Unterschiedliche optische Designs
Hintergrund
Bei den in der Vergangenheit erhältlichen IOL handelte es sich weitgehend um harte Kunststofflinsen aus PMMA (im Volksmund auch "Plexiglas" genannt). Das zugrundeliegende optische Design besteht dabei aus zwei identischen (symmetrischen) rein sphärischen (Kugelschnitte) Flächen. Dieser Linsentyp ist in der Optik der am häufigsten eingesetzte, da er sich technisch vergleichsweise einfach und somit kostengünstig herstellen lässt.
Diese klassischen IOL zeigen jedoch zwei wesentlichen Nachteile:
- große Schnitte bei der Implantation da diese IOL starr sind
- erhebliche Abbildungsungsfehler (sphärische Aberration), insbesondere bei großen Brechkräften
Um diese Nachteile zu eliminieren, wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl neuartiger Linsentypen entwickelt. Die Tendez geht dabei zu sehr dünnen, faltbaren IOL, welche minimalinvasiv durch Schnitte mit einer Größe von lediglich 1,5mm bis 3mm implantiert werden können. Zur Implantation werden hierbei häufig sogenannte Kartuschen eingesetzt, sich verengende Kunststoffröhrchen, durch welche mit einem speziellen Stift (sog. Injektor) die zuvor gefaltete IOL durch diesen Miniaturschnitt implantiert werden kann. In einer grossen Studie wurden am ITIV in Zusammenarbeit mit der Augenklinik der Universität Ulm die Auswirkungen dieser, das Material der IOL teils erheblich beanspruchenden Injektionsprozesse, ausführlich untersucht.
Abbildungsqualität
Entscheidend für die optische Funktion der IOL und somit für eine möglichst gute Sicht des Patienten ist die sog. optische Abbildungsqualität. Diese wird im Wesentlichen durch die Geometrie der Oberflächen sowie deren Oberflächenqualität (z.B. Rauhigkeit aufgrund des Herstellungsprozesses) bestimmt. Im Falle der IOL können dabei vier prinzipielle Typen unterschieden werden, die im folgenden genauer beschrieben werden: symmetrische sphärische, asymmetrische shpärische, asphärische und bifokale bzw. multifokale (oft auch diffraktive) Designs.
MTF SystemZur Vermessung dieser Abbildungseingenschaften von IOL wurde am Intsitut eine spezielles Meßsystem entwickelt, welches es ermöglicht, die Abbildungseigenschaften und damit die optische Qualität von monofokalen und multifokalen IOL äußerst präzise zu bestimmen. Die Messung erfolgt dabei gemäß des internationalen Industriestandards EN/ISO 11979-2 [ISO11979]. Um die IOL unter Messbedingungen zu testen, die ähnlich dem späteren Einsatz im Auge sind, wird laut dieser Norm ein spezielles Kunstauge eingesetzt, welches die eigenschaften der Cornea sowie der Vorderkammer simuliert. Die IOL selbst wird dabei in einem speziellen Wasserbad betrieben. Weitere detaillierte Informationen zur Funktionsweise des IOL-Messtandes finden sich hier.
Symmetrisch sphärische Designs
Sphärische Flächen (Schnitte aus Kugeloberflächen) sind zwar technisch vergleichsweise einfach und somit kostengünstig herzustellen, weisen aber einen wesentlichen prinzipiellen Abbildungsfehler, die sog. sphärische Aberation auf. Grund hierfür ist, das eine Sphäre (oder wie hier gezeigt im Schnitt betrachtet ein Kreis) nicht die optimale geometrische Form für eine perfekte Abbildung (Fokussierung paralleler Strahlen) ist [Hecht98], [Charman96]. Wie aus nebenstehender Abbildung ersichtlich, werden Strahlen nahe der optischen Achse (sog. paraxiale Strahlen) weiter von der Linse weg fokussiert als Strahlen aus den Außenbereichen der Linse. Dies führt zu einem suboptimalen, verwaschenen Fokus, bzw. zu einer unscharfen Abbildung.
Alle sphärischen Designs weisen diesen Abbildungsfehler auf, welcher wesentlich vom Durchmesser des einfallenden Lichtbündels (sog. Eintritts-Pupille) abhängig sind. Für geringe Durchmesser, im Auge also bei geringen Pupillengrößen (Öffnung der Iris), wird die sphärische Aberation zunehmend kleiner. Intraokularlinsen werde derzeit zum überwiegenden Anteil bei Patienten über 60 Jahren implantiert. Die Fähigkeit der Iris ihren Öffnungsdurchmesser zu variieren nimmt dabei mit dem Alter stark ab. Während Kleinkinder Pupillenöffnungen bis 6mm oder gar 8mm erreichen, liegt bei älteren Menschen die durchschnittliche Pupillenöffnung bei 3mm bis 4mm (bei normalen Lichtverhältnissen bei ca. 3mm). Aus diesem Grunde ist beispielswesie auch in der Industrienorm zum Test von IOL (EN/ISO 11979-2 [ISO11979]) eine Pupillengröße von 3mm vorgeschrieben.
Bei solch geingen Pupillenöffnungen treten nennenswerte sphärische Aberrationen aber erst bei vergleichsweise großen Brechkräften auf. Nebenstehende Grafik zeigt die Abhängigkeit der Abbildungsqualität (ISO-Kriterium, Modulation bei 100 Linienparen/mm, siehe auch Abbildungsqualität) von der Brechkraft (in Dioptrin, dpt.) der IOL bei einer Pupillenöffnung von 3mm. Die durchgezogene Kurve im mittleren Bereich zeigt dabei die Abbildungsqualität des klassischen symmetrisch sphärischen Designs. Die gepunktete (oberste) Kurve gibt hingegen die theoretisch erreichbaren Maximalwerte einer idealen (sog. beugungsbegrenzten) Linse, die gestrichelte (untere) Kurve die nach der Industrienorm geforderten Minimalwerte der Abbildungsqualität an [Rawer05a]).
Deutlich zu erkennen ist, dass sich bei dieser Pupillenöffnung sphärische Aberrationen erst ab einer Brechkraft von ca 15dpt. bemerkbar machen. Bis zu einer Brechkraft von ca. 25dpt. bleibt die Abbildungsqualität weitgehend konstant, gleichwohl das theoretische Maximum nicht mehr erreicht wird. Bei Brechkräften über 25dpt. bricht die Abbildungsqualität symmetrisch sphärischer IOL dann deutlich ein. Für kleine Brechkräfte sind für den Durchschnittspatienten also symmetrische sphärische IOL durchaus akzeptabel. Bei großen Brechkräften oder bei Patienten mit überdurchnittlich großen Irisöffnungen bzw. bei jüngeren Patienten ist jedoch mit einer erheblichen Minderung des Visus (Sehschärfe) zu rechnen. Für diese Patienten können die im folgenden beschriebenen Designs Abhilfe schaffen.
Asymmetrisch sphärische Designs
Die Abbildungsfehler sphärischer Flächen (sog. sphärische Aberration) können mit einem einfachen Trick gemindert werden: Die Anteile der Brechkräfte (Ablenkung der Strahlen) der beiden Flächen muss möglichst gleichmäßig verteilt werden.
Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass die sphärische Aberration bei stärkerem Ablenkungswinkel überproportional steigt. Wird im Vergleich zum zuvor gezeigten Beispiel die plankonvexe Linse (Linse mit einer ebene Grenzfläche, und einer nach außen gekrümmten Grenzfläche) einfach im Strahlengang umgedreht, so werden der sphärische Abbildungsfehler deutlich kleiner, da nun die plane Oberfläche ebenfalls zur Brechung beiträgt.
Sog. Linsen bester Form nutzen diesen Effekt für einen definierten (typischen) Strahlengang optimal aus. Für den typischen Einsatz im Auge ist hierbei die zweite Fläche ebenfalls leicht gekrümmt, allerdings wesentlich geringer als die Erste.
In der Praxis ist jedoch bei allen asymmetrischen IOL eine potentielle Fehlerquelle zu berücksichtigen, welche dramatische Auswirkungen auf die optische Funktion der IOL haben kann: Die Orientierung der IOL muss korrekt eingehalten werden, da sich sonst die prinzipiellen optischen Vorteile eines asymmetrisch sphärischen Designs zum genauen Gegenteil wenden können. Dies bedeutet, dass sichergestellt sein muß, dass Vorder- und Rückseite der IOL bei der Implantation unter keinen Umständen vertauscht werden dürfen [Spraul05]. Werden hingegen Vorder- und Rückseite vertauscht, so wird aus einer Linse bester Form eine Linse mit sehr ungünstiger Form, welche sogar schlechtere Abbildungseigenschaften als ein einfaches symmetrisch sphärisches Design aufweist.
Eigentlicher Grund für den Einsatz von asymmetrischen sphärischen Linsendesigns ist jedoch im Bereich der Intraokularlinsen meist der Wunsch, bei faltbaren IOL eine konstante Dicke (sog. Mittendicke) zu realisieren, da andernfalls Linsen mit stärkerer Brechkraft erheblich dicker wären als solche mit geringer Brechkraft. Eine einheitliche Dicke der Linse führt zu einer deutlich verbesserten Handhabbarkeit der unterschiedlichen Linsen bei der minimalinvasiven Implantation mit oder ohne Injektorsystemen.
Wie in obenstehender Grafik zu erkennen, führt dies jedoch zu einer geringeren effektiv nutzbaren optischen Fläche (respektive Irisöffnung), da die obere Fläche einen ca. 15% kleineren Durchmesser als die untere aufweist. Unsere Meßergebnisse zeigen zudem, daß die untersuchten handelsüblichen asymetrisch sphärischen IOL häufig nur unwesentliche Verbesserungen der Abbildungsqualität erreichen. Somit werden die prinzipiellen optischen Vorteile eines solchen asymmeterischen Design häufig nicht ausgeschöpft.
Asphärische Designs
Um die oben beschriebenen sphärischen Aberrationen gänzlich zu eliminieren müssen also nicht sphärische oder asphärische Oberflächen eingesetzt werden. Diese müssen in den Außenbereichen eine geringere Krümmung aufweisen als im zentzralen Bereich. Auf diese Weise können ein optimaler Fokus und somit optimale Abbildungseigenschaften der IOL erreicht werden. Solche asphärische IOL können auch bei hohen Brechkräften und großen Pupillenöffnungen optimale Abbildungseigenschaften garantieren und bieten somit für den Patienten prinzipiell die besten Abbildungseigenschaften und somit die besten Voraussetzung für die höchste Sehkraft nach der Implantation.
Asphärische aberrationskorrigierte Designs
In letzter Zeit wird eine weitere Variante der asphärischen Linsen propagiert. Während im klassischen Design die Cornea (Hornhaut) des Auges als rein sphärisch angenommen wurde, zeigen die Ergebnisse moderner und immer genauerer Meßsysteme zur Vermessung der Oberfläche der Cornea [Brennan97], daß diese ebenfalls nicht rein sphärisch, also ebenfalls asphärisch ist. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, werden neuerdings sog. 'abberationskorrigierte' IOL angeboten bei deren Design die durchschnittliche Asphärizität der Cornea berücksichtigt wird. Somit wird eine im Durchschnitt des Patientenkollektivs verbesserte Sehkraft ermöglicht. Um diesen Vorteil jedem Patienten garantieren zu können, müsste jedoch die exakte Asphärizität vermessen und eine geeignete IOL gewählt werden.
Bei Messungen nach ISO11979 ist jedoch eine rein sphärische künstliche Cornea vorgegeben. Dementsprechend schneiden aberrationskorrigierte asphärische Linsen bei diesen Messungen tendenziell etwas schlechter ab als nicht aberrationskorrigierte asphärische Linsen . Die ist jedoch für den in-vivo Einsatz aberrationskorrigierter IOLs nicht repräsentativ, da der Messaufbau nach ISO11979 diese statistische Aspherizität der menschlichen Cornea nicht berücksichtigt.
Messungen mit einem modifizierten Messsystem, welches eine entsprechende asphärische künstliche Cornea einsetzt, werden daher an dieser Stelle nachgereicht werden.
Zusätzlich bleibt zu erwähnen, daß ein Strehl Ratio größer 0,90 den übrigen optischen Komponenten des menschlichen Auges in aller Regel weit überlegen ist und daher nur in seltenen Fällen dem Patienten zu einer subjektiven Verbesserung des Visus verhelfen.
Bifokale/Mutifokale Designs
Ein grosser Nachteil bisheriger künstlicher IOL ist, daß es sich um monofokale Linsen mit fester Brechkraft handelt. Dies bedeutet, dass Patienten die Fähigkeit der Akkommodation weitgehend einbüßen. I.d.R. wird daher die Brechkraft der IOL so gewählt, dass der Patient in die Ferne (z.B. zum Autofahren) ohne zusätzliche Brille scharf sehen kann. Für das Nahsehen (z.B. Lesen) benötigt der Patient jedoch eine Lesebrille. Da die natürliche Fähigkeit der Akkommodation jedoch ohnhin mit dem Alter stark abnimmt benötigen ältere Menschen i.d.R. ohnehin eine Lesebrille. Somit ist für viel Patienten diese Einschränkung durchaus zufridenstellend.
Dieser Nachteil, nur in einer Entfernung scharf sehen zu können, kann mit sog. multifokalen oder bifokalen Linsen weitgehend eliminiert werden. Dieser Linsentyp erzeugt gleichzeitig zwei verschiedene Fokusse. Somit können gleichzeitig nahe Objekte (z.B. beim Lesen) und auch ferne Objekte (z.B. beim Autofahren) scharf abgebildet werden. Eine Lesebrille wird somit i.d.R. überflüssig.
Nachteil dieses Linsentyps ist jedoch, dass das Auge nicht nur immer zwei scharfe Bilder gleichzeitig wahrnimmt sondern auch immer zwei unscharf überlagerte. Dies führt dazu, dass die Bildschärfe gegenüber einer monofokalen Linse leicht abnimmt. Da bifokale IOL jedoch häufig asphärische Oberflächen verwenden und somit über ansonsten exzellente Abbildungseigenschaften verfügen, zeigen Untersuchungen, daß die Abbildungsqualität einer guten Bifokallinse der einer klassischen IOL mit deutlicher sphärischer Abereation entspricht oder gar übertrifft. Zudem kann es zu sog. Blendeffekten kommen (z.B. beim nächtlichen Autofahren, wenn bei sonst sehr dunkler Umgebung Autoscheinwerfer am Rand des Blickfeldes auftauchen, oder wenn der Patient von entgegenkommenden Fahrzeugen geblendet wird) [Akutsu93]. In diesen Fällen können feine geometische Muster sichtbar werden, z.B. leichte konzentrische Ringe, die dem eigentlichen Bild überlagert sind. In seltenen Fällen werden diese vom Patienten als störend empfunden.
Bei diesen bifokalen Designs können zwei prinzipielle Designvarianten unterschieden werden:
Zum einen die einfachere Variante, die schon seit Jahren, allerdings nur mit mäßigem Erfolg, am dem Markt erhältlich ist. Hierbei wird die Linse in wenige Zonen mit unterschiedlichen Brechkräften unterteilt. In obenstehender Beispielsgrafik können zwei solche Zonen unterschieden werden: im mittleren Bereich beispielsweise eine starkbrechende Zone mit einem Fokus nahe der Linse, im äußeren Bereich eine schwachbrechende Zone mit einen Fokus weiter entfernt von der IOL. Die optischen Designs der einzelnen Zonen können nun wiederum sphärisch oder asphärisch ausgelegt werden was analog zu monomfokalen IOL wiederum Auswirkungen auf die Abbildungsqualität hat. Die am Markt derzeit erhältlichen bifokalen Mehrzonendesigns bestehen meist aus drei bis fünf solcher Zonen.
Nachteil dieses Mehrzonendesigns ist, dass somit die Intensität der beiden Foki abhängig von der Pupillenöffnung ist. In obigem Beispiel wäre also bei kleiner Pupillenöffnung (z.B. Tageslicht) nur der nähere der beiden Foki ausgeprägt und somit nur die Nahsicht (z.B. Zeitunglesen) möglich, was somit zu Einbußen in der Alltagstauglichkeit dieses IOL-Designs führen kann.
Die zweite Variante ist mit der Perfektionierung von hochpräzisen Diamantdrehmaschinen, welche mittlerweile zur Fertigung von IOL eingesetzt werden können, entstanden. Auf der Oberfläche der IOL wird eine zusätzliche Mikrostruktur aufgebracht, eine sog. diffraktive Struktur. Diese bewirkt eine Beugung des Lichtes (ähnlich der Beugungseffekte am Doppelspalt oder an Gitterstrukturen) welche der Brechung überlagert wird. Auf diese Weise kann zum einen die gesamte Fläche zur Erzeugung beider Fokusse eingesetzt werden (die Abhängigkeit von der Pupillengröße entfällt somit), zum anderen kann bei optimiertem Design die Abbildungsqualität zuzsätzlich verbessert werden.
Akkommodationsfähige Designs
Die ideale IOL wäre aber natürlich eine Linse, welche gleichzeitig ideale Abbildungseigenschaften aufweist und eine Akkomodation ermöglicht. Dementsprechend forschen und entwickeln viele Firmen an einer solchen akkommodationsfähigen IOL. Diese würde sämtliche Funktionen der jungen natürlichen IOL nachahmen und deren optische Qualität theoretisch sogar deutlich übertreffen können.
Bislang ist die Verfügbarkeit solcher akkommodierenden IOL jedoch noch äußerst gering und deren Funktion sehr umstritten. Sobald sich dieses ändert, werden wir unsere Vergleichsmessungen auch auf diesen Linsentyp ausweiten.
Kontakt
Prof. Dr. rer.nat. Wilhelm Stork ,
Tel. 0721 / 608 - 2510, wilhelm.stork∂kit.edu