Qualitätskriterien optischer Abbildungen
Erläuterungen zu den aufgeführten MTF-Graphen
Die Modulations Transfer Funktion (MTF) kann mittels der mathematischen Operation der Fouriertransformation aus der zweidimensionalen Kurve der Punktverwaschungs-Funktion (engl.: Point Spread Function, PSF) berechnet werden. Obenstehende Grafik zeigt eine nahezu ideale, und somit rotationssymmetrische PSF (in logarithmischer Darstellung der Intensität). Deutlich zu erkennen sind hierbei die Beugungseffekte im Randbereich, als kleine konzentrische Ringe, die sog. Airy-Ringe .
Dementsprechend handelt es sich bei der resultierenden MTF ebenfalls um eine zweidimensionale Kurve . Wie aus obenstehender Grafik ersichtlich, ist diese im Falle einer idealen Abbildung ebenfalls roationssymmetrisch um ihr zentrales Maximum. Reale MTF zeigen jedoch weder den zu sehenden nahezu linearen Anstieg der Flanken, noch eine vollkommene Rotationssymmetrie. (Eine Verletzung der Symmertrie kann beispielsweise durch torische (Zylinder) Anteile der Oberfläche hervorgerufen werden).
Üblicherweise wird zur vereinfachten Darstellung lediglich ein Schnitt vom Zentrum zum Randgebiet der MTF genutzt. Hieraus ergibt sich die bekannte eindimensionale Kurve (ähnlich weiter unten folgender Grafik). Bei Verletzungen der Rotationssymmetrie führt diese Darstellung jedoch zwangsläufig zu erheblichen Fehlern, da nur ein willkürlicher Schnitt durch das nicht mehr rotationssymmetrische Gebilde ausgewertet wird.
Bei den hier aufgeführten MTF Kurven wird daher über eine große Zahl solcher Schnitten gemittelt , welche unter unterschiedlichen Winkeln stets vom Zentrum ausgehen. Obenstehende Grafik verdeutlicht dieses Vorgehen (Sicht von oben auf die rotationssymmetrische ideale MTF; die radialen Linien zeigen die genutzten Schnittebenen). Für jede Ortsfrequenz, welche proportional zum Abstand des Messpunktes vom Mittelpunkt ist, können nun Mittel-, Minimal- und Maximalwerte bestimmt werden. Diese Werte werden zudem mit der idealen MTF der entsprechenden idealen beugungsbegrenzten Linse verglichen.
Dementsprechend zeigen die hier aufgeführten MTF-Grafiken jeweils die folgenden vier Kurven:
- gestrichelte (oberste) Kurve:
ideale MTF der entsprechenden beugungslimitierten Linse - obere dünne durchgezogene Kurve:
maximale Modulationswerte der MTF - dicke durchgezogene (mittlere) Kurve:
mittlere Modulationswerte der MTF - untere dünne durchgezogene Kurve:
minimale Modulationswerte der MTF
Die Grafik zeigt eine nahezu ideale MTF in der soeben geschilderten Darstellung. Alle drei Messkurven (durchgezogene Linien) sind annähernd identisch mit der Kurve der idealen Linse (gestrichelte Linie).
Die obere Grafik zeigt hingegen eine MTF mit deutlichen Abbildungsfehlern. Hierbei ist eine deutlich Abweichung vom Ideal sowie eine deutliche Asymmetrie (breiter grauer Bereich zwischen Minimum- und Maximumkurve) zu erkennen. Zudem sind sphärische Aberrationen zu beobachten, welche sich i.d.R. durch einen Umkehrpunkt (bzw. einen Berg) zu Beginn der unteren Hälfte der MTF Kurve bemerkbar macht.
Um den Vergleich der beschriebenen Messergebnisse zwischen unterschiedlichsten IOL zu erleichtern, werden verschiedene Qualitätsmaßzahlen eingeführt, welche die Form der gemessenen MFT und somit die Abbildungsqualität in einem einfach zu interpretierenden Zahlenwert zusammenfassen. Im folgenden werden die beiden verbreitetsten Qualitätskriteren erläutert: das ISO Kriterium nach EN/ISO 11979-2 und das sog. Strehl-Verhältnis.
ISO Kriterium
Der internationale Industriestandard nach EN/ISO 11979-2 [ISO11979] gibt unter anderem den Testaufbau zur Durchführung der Messung der Abbildungsqualiät vor. Zudem wird ein Qualitätskriterium (im folgenden ISO-Kriterium genannt) definiert.
EN/ISO 11979-2 verlangt für alle Intraokularlinsen (IOL) eine Modulation der MTF von besser 0,43 bei einer Ortsfrequenz von 100 Linienpaaren/mm bei einer effektiven Apertur auf der IOL von 3mm Durchmesser. Falls das verwendete Design dieses nicht ermöglicht (beispielsweise sphärische IOL mit hoher Brechkraft) so muss die Modulation bei 100 Linienpaaren/mm oberhalb von 70% des nach dem Design theoretisch möglichen Wertes liegen. In keinem Falle darf die Modulation bei 100 Linienpaaren/mm jedoch unter einem Wert von 0,28 liegen. Obenstehende Grafik verdeutlich dieses Kriterium am Beispiel einer idealen und einer realen MTF mit einer großen sphärischen Aberration.
Obenstehende Grafik zeigt die Modulation der MTF bei einer Ortsfrequenz von 100 Liniepaaren/mm und einer effektiven Apertur von 3mm Durchmesser in Abhängigkeit der Brechkraft in Dioptrin (dpt.). Die obere gepunktete Linie zeigt dabei das ideale, beugungslimitierte Design und somit die theoretisch maximal mögliche Abbildungsqualität. Die gestrichelte Linie am unteren Ende des grauen Bereiches gibt die Minimalanforderung nach ISO an. Die durchgezogene Linie in der Mitte des grauen Bereiches zeigt das Referenzdesign nach ISO (symmetrisch sphärische Bikonvexlinse).
Deutlich zu erkennen ist, dass bei einer Apertur von 3mm Durchmesser der Wert der Modulation bei einer festen Ortsfrequenz von beispielsweise 100 Linienpaaren/mm des idealen beugungslimitierten Designs (gestrichelte Kurve) mit steigender Brechkraft ansteigt. Die Modulation der MTF von Linsen mit Aberrationen wie beispielsweise das symmetrisch spärische ISO Referenzdesign (durchgezogene Linie) bricht hingegen oberhalb einer gewissen Ortsfrequenz drastisch ein. Für das Beispiel des ISO Referentdesigns mit einem Brechungsindex von 1,46 (Acrylat) und einer Apertur von 3mm Durchmesser bedeutet dies, bis zu einer Brechkraft von ca. 15dpt. nahezu ideale Modulationswerte. Die Modulation bleibt dann bis ca. 25dpt. weitgehend konstant und bricht oberhalb von 25dpt. drastisch ein. Dieser Einbruch ist auf die sphärische Aberration zurückzuführen und entspricht einem signifikanten Verlust an Kontrast im wahrgenommenen Bild.
Wie in obiger Abbildung zu sehen, ist das ISO Kriterium stark abhängig von der Brechkraft der vermessenen IOL. Um eine Vergleichbarkeit des ISO Kriteriums über verschiedene Brechkräfte hinweg zu ermöglichen, geben wir daher zudem das relative ISO Kriterium in Prozent an (hier ISO% genannt). Der ISO% Wert gibt den Vergleich des ISO Kriteriums zur idealen, beugungsbegrenzten Linse an. Ein ISO% Wert von 100% enspräche also der idealen, beugungsbegrenzten Linse, unabhängig von der Brechkraft der vermessenen IOL.
Strehl-Verhältnis (Strehl Ratio)
Das Strehl-Verhältnis (oder auch Strehl Ratio, SR) ist ein Maß für die Abbildungsqualität eines optischen Systems über seinen gesamten Ortsfrequenzbereich im Vergleich zum entsprechenden idealen (beugungsbegrenzten) System [Hecht98]. Das Strehlverhältnis kann auf zwei unterschiedliche Arten berechnet werden:
Zum einen, indem das gemessene Maximum der PSF durch das Maximum der ermittelten idealen PSF dividiert wird. Diese Messung ist jedoch aufgrund des vergleichweise hohen Rauschens dieses Wertes im realen Messsystem vergleichsweise ungenau.
Zum anderen kann das Strahl Ratio auch aus dem Volumen unterhalb der zweidimensionalen gemessenen MTF dividiert durch das Volumen unterhalb der idealen MTF ermittelt werden. Da bei diesem Verfahren aufgrund der hohen Mittelung Rauscheffekte weniger stark ins Messergebnis eingehen, ist diese Messmethode zudem i.d.R. präziser.
Der resultierende Zahlenwert zwischen 0 und 1 ist ebenfalls ein Maß dafür, wie viel Energie aus dem Zentrum des Spots (Fokuspunkt) in die umgebenden Bereiche gestreut wird. Aus diesem Grunde eignet sich dieses Messvariante ideal, um beispielsweise bifokale bzw multifokale IOL präzise zu vermessen.
Eine ideale Linse zeigt ein Strehl-Verhältnis von 1,00. Je kleiner dieser Zahlenwert, desto schlechter die Gesamtabbildungsqualität der getesteten Linse (bzw. des getesteten Systems).
Kontakt
Prof. Dr. rer.nat. Wilhelm Stork ,
Tel. 0721 / 608 - 2510, wilhelm.stork∂kit.edu